(1967)
Mit Hilfe des 1. Fünfjahresplanes (1951 - 55) sollten die Hektarerträge weiter gesteigert werden. Das traf den bäuerlichen Mittelstand sehr hart. Die Bauern wurden dadurch stark unter Druck gesetzt, denn es sollte hiermit erreicht werden, daß sie ihre Höfe „freiwillig“ (- dem Ausland gegenüber -) aufgeben. Das Ablieferungs-Soll wurde immer höher gesetzt. Hierunter fiel z. B. das Getreide, das Fleisch, die Tiere und die Eier, und das noch zu den unmöglichsten Jahreszeiten. So musste z. B. schon im Juli das Fleisch und die Eier abgeliefert werden. Mit den anderen Produkten war es genau so. Die sogenannten „Erfasser“ kamen vor Ort und kontrollierten bzw. setzten neue, höhere „Solls“ fest. So ein Erfasser fragte Friedrich dann auch, ob er sein „Soll“ denn auch erfüllen könne, worauf er antwortete, dass er noch ein Fohlen auf Weide hätte, dieses würde er als „freie Spitze“ verkaufen. „Freie Spitzen“ waren Produkte, die über das festgesetzte „Soll“ hinaus abgeliefert bzw. verkauft wurden. Für „freie Spitzen“ gab es sehr viel Geld. Als Ersatz für nicht geliefertes „Soll“ konnte man auch den Preis hierfür geben. Auch bot Friedrich dem Gesetzeshüter seinen Hof an, er selbst würde dann mit seiner Familie hierauf als Deputatarbeiter tätig sein. Der Erfasser antwortete nur höhnisch: „aber Herr Holst, wir nehmen doch niemandem den Hof weg“.
Der Raps war gemäht, die Wintergerste stand in Hocken, und mein Bruder Hans, der bei mir diente, war gerade beim Roggenanmähen als wir unsere Flucht in den Westen am Donnerstag, den 24. Juli 1952 begannen. Einige Tage zuvor hatte ich bei einem bekannten Rechtsanwalt in Schönberg, unserer Kreisstadt, Fühlung aufgenommen um mit ihm unseren Fluchtplan zu erstellen. So sollten wir bei seinem Buchhalter übernachten. Meine Frau fuhr zuerst zum 10 Uhr-Zug nach Lüdersdorf, angeblich, um in Schönberg (1 Station) zum Arzt zu müssen. Elfriede und ich sind nachmittags um ca. 4 Uhr mit dem Fahrrad losgefahren, und zwar in entgegengesetzter Richtung, um in einem großen Kreis nach Schönberg zu gelangen. – Ich fuhr unter dem Vorwand weg, um in Thandorf ein von mir beim Bauern Böttcher auf Weide gegebenes Fohlen zu besichtigen, dieses wollte ich verkaufen, um für das Geld wieder für „freie Spitzen“ Schweinefleisch kaufen zu können, welches ich abliefern musste, um mein „Soll“ zu erfüllen. - Zunächst kamen wir an unserem Roggenfeld vorbei. Dort hatte ich morgens schon Elfriedes Mantel versteckt, den holte ich wieder hervor, als mein Bruder Hans gerade am anderen Ende der Koppel zu mähen war, dann fuhren wir weiter in Richtung Utecht durch das Forstgebiet „Im Braken“ nach Thandorf und weiter in Richtung Rieps. Hier kamen wir an die frühere Hauptstraße Ratzeburg - Schönberg, wo wir nun den geraden Weg nach Schönberg benutzten. Wir trafen uns beim schon genannten Buchhalter alle wieder. Die Tochter dieser Familie besorgte uns die Fahrkarten für den Arbeitszug nach Bad Kleinen. Am nächsten Morgen, gegen 4 Uhr, mussten wir vor dem Schönberger Bahnhof eine patrouillierende Volkspolizeistreife passieren, die alles kontrollierte, was ihnen verdächtig vorkam. Da wir aber außer der Handtasche meiner Frau und einer Reisetasche nichts bei uns hatten, kamen wir ungeschoren durch diese Kontrolle. In Schönberg stieg ein mir bekannter Herr von der Saatzuchtgesellschaft zu uns im Abteil ein. Er war sehr redselig und meinte, wir beide müssten uns doch kennen - dass wir drei zusammengehörten, konnte er nicht ahnen, denn wir saßen alle in einer anderen Ecke -. Ich tat aber, als wenn wir uns noch nie gesehen hätten. Wir sprachen über dieses und jenes, und dieser Herr meinte noch, es müsse doch wohl schon etwas heißen, wenn ein Bauer bei Nacht und Nebel sein ganzes Hab und Gut im Stich lässt, um in den Westen zu fliehen - er ahnte ja nicht, dass wir auch zu diesen gehörten. In Bad Kleinen lösten wir uns drei neue Karten für den D-Zug bis nach Berlin. So kamen wir nun in Berlin-Falkensee, der letzten Station in der Sowjetzone an. Hier hätten wir nach unserem Plan aussteigen sollen, sind es aber nicht, weil ich aus dem D-Zug heraus beobachten konnte, wie bei allen Reisenden der Pass kontrolliert wurde; da wir aber hinten im Ausweis einen Stempel hatten, aus dem zu ersehen war, dass wir aus der „5-km-Sperrzone“ kamen, konnten wir es nicht riskieren, hier auszusteigen. Aber auch die Reisenden, die weiter fuhren, wurden kontrolliert: jeder Reisende, der verdächtiges Gepäck bei sich hatte, wurde genauer überprüft. So kamen wir auch jetzt noch einmal davon. Unser Zug fuhr nach ca. ¾ Stunden Aufenthalt weiter durch Westberlin, wo plötzlich keine Propaganda-Plakate und -Fahnen mehr zu sehen waren. Die nächste Haltestation (Endstation) war Friedrichstraße im Ostsektor - in Westberlin hielt der Zug nicht -. Auf diesem Bahnhof sprach meine Frau vorsichtig ein altes Mütterchen an und bat sie, da wir in den Westsektor fahren wollten, ob sie uns wohl etwas Westgeld geben könne - sie bekam hierfür 10 Mark Ostgeld -, denn nur für Westgeld konnten wir Karten in den Westsektor bekommen. Wir fuhren jetzt mit der S-Bahn noch 3 Stationen bis nach Westkreuz. Von hieraus konnten wir die Kuno-Fischer-Straße, wo das Flüchtlings-Aufnahmelager war, schon sehen. Meine Frau ging voraus und Elfriede und ich hinterher, neben uns fuhr ein Personenauto, es hielt an, und der Herr fragte, ob er uns eben zum Lager bringen solle, wir verneinten, denn es waren nur noch ein paar Schritte bis dorthin. Hinterher sagten wir uns, dieser Autofahrer hätte uns gegen ein gutes Lösegeld in den Ostsektor wieder abliefern können, denn er konnte ja genau sehen, dass wir Flüchtlinge waren und zum Lager wollten. Im Lager wurde immer wieder öffentlich davor gewarnt, bei Autofahrern einzusteigen, auch mit der S-Bahn sollten wir nicht wieder fahren, denn diese gehöre zum Ostsektor, und unversehens ist man wieder im Osten gelandet, denn die S-Bahn bildet hier einen Ring. Am 25. Juli um 11 Uhr mittags sind wir so im Flüchtlings-Aufnahmelager gelandet. Im Lager war ein fürchterliches Gewimmel von Ostzonenflüchtlingen. Zuerst mussten wir uns bei der Aufnahme melden. Unsere Ostzonen-Ausweise gaben wir ab und bekamen hierfür einen gemeinsamen Laufzettel. In unserer ersten Unterkunft, der früheren Hermann-Göring-Kaserne, verbrachten wir drei Nächte. So war der erste Tag Aufnahme, und der zweite Tag war Untersuchung, wo unser Gesundheitszustand festgestellt wurde, gleichzeitig wurden wir zur Vorsicht gegen Ungeziefer eingestäubt. Der Dritte Tag war ein Sonntag. Montags, kurz vor Mittag, wurden wir mit Bussen abgeholt und kamen zu unserer neuen Unterkunft in Berlin-Tempelhof. Diese Unterkunft war bedeutend besser, auch wurden wir nach Geschlechtern getrennt, wobei kleine Kinder bei den Müttern blieben, dagegen war in der Hermann-Göring-Kaserne alles durcheinander gewürfelt, dort hatten wir als Schlafunterlagen nur loses Stroh (in Berlin-Tempelhof bekamen wir jetzt Strohsäcke), auch bekamen wir dort kein Essen, sondern mussten, um zu essen, etwa 2 km weit laufen und ca. 3 - 4 Stunden in langen Schlangen anstehen. Um im Westen als politischer Flüchtling anerkannt zu werden, musste ich mit dem erhaltenen Laufzettel unzählige Dienststellen passieren und dort meine Aussagen machen. Nach einem festgesetzten Termin vor dem Aufnahmeausschuss wurden wir am 6. August 1952 als politische Flüchtlinge anerkannt und bekamen den Flüchtlingsausweis „C“. Als Grund für die Anerkennung ist folgendes zu lesen:
„Der Antragsteller setzte sich aus der sowjetischen Besatzungszone ab, weil er als Altbauer im Zuge der Kolchosierung der Landwirtschaft mit Repressalien rechnete und darüber hinaus als Bewohner der neu errichteten Sperrzone eine Zwangsevakuierung mit unbekanntem Ziel befürchtete. Der Antragsteller machte einen glaubhaften Eindruck. Der eindeutige Sachverhalt rechtfertigt eine Aufnahme aus zwingenden Gründen nach dem Notaufnahmegesetz. Die Entscheidung wurde in Anwesenheit des Antragstellers verkündet. Rechtsmittelbelehrung ist erfolgt.“
Gleich nach unserer Ankunft in Berlin hatten wir an meine Schwägerin Irma Brehm nach Ahrensburg-Wulfsdorf geschrieben und sie gebeten, uns die Einreisegenehmigung nach Schleswig-Holstein, nach Ahrensburg, zu besorgen. Mein Schwager Martin Oldenburg war daraufhin gleich nach Kiel gefahren und hat das Nötige veranlasst. So waren wir schon ca. 8 Tage nach unserer Flucht im Besitz der Einreisegenehmigung mit der Erklärung meiner Schwager Martin und Robert Oldenburg und meiner Schwägerin Irma Brehm, je eine Person bei sich aufzunehmen, ohne hierfür zusätzlich Wohnraum zu beanspruchen. Dieses war nötig, denn ohne dem kam keiner mehr nach Schleswig-Holstein, da dieses Land mit Flüchtlingen überfüllt war. Alle anderen Flüchtlinge kamen nach dem Rheinland. Ich war jetzt alle Instanzen durch, und wir brauchten nur noch auf unseren Abflugtermin nach Hamburg-Fuhlsbüttel zu warten. Am 28. August war es dann soweit, wir konnten fliegen, einen Tag vorher bekamen wir diesen Bescheid. Der Flug nach Hamburg-Fuhlsbüttel, die Busfahrt zum Hamburger Hauptbahnhof und die Zugreise nach Ahrensburg waren für uns kostenlos. Die Karten hierfür wurden uns in Berlin ausgehändigt. So flogen wir am 28. August 1952 um ca. 9 Uhr in Berlin-Tempelhof ab und kamen um etwa 13:30 Uhr in Ahrensburg an. Zunächst hatten wir ein Schlafzimmer bei meiner Schwägerin. Ein paar Wochen später zogen wir zu meinem Schwager Robert Oldenburg und bekamen dort eine bescheidene 2-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss. Zum Thema „Flucht“ möchte ich noch hinzufügen, dass meine Tochter Irma schon am 4. November 1950 geflohen ist. Sie konnte damals noch über die Wakenitz in den Westen kommen, denn die Grenzbefestigungen waren seinerzeit noch nicht so stark.
(Seine Nichte Elfriede erinnert sich)
Anfang Januar 1949, kurz vor Mittag, ging Elfriede, nichts böses ahnend, zu Onkel Heinrich, um ihm mitzuteilen, dass am nächsten Tag bei Holst Brot gebacken werden solle - das Brotbacken hatten Holst und Oldenburg immer abwechselnd gemeinsam gemacht. - Elfriede kam so auf den großen Flur und stellte fest, dass dieser voller uniformierter und nichtuniformierter Leute war. Onkel Heinrich nahm seine Nichte Elfriede auf den Schoß, das war das Letzte, was sie von ihm gesehen hatte, was das aber alles zu bedeuten hatte, wusste Elfriede nicht.
Onkel Heinrich war kurz vorher über die Grenze in den Westen gewesen, das soll angeblich der Aufhänger für die nun erfolgte Hausdurchsuchung gewesen sein. Bei dieser Durchsuchung fand man dann auch eine Westzeitung - eine Westzeitung galt in der DDR als Westpropaganda und war dort strengstens verboten -. Bei der weiteren Hausdurchsuchung, die sich auch auf die Ställe, die Scheunen und den gesamten Hof erstreckte, fand man auch eine Waffe - im Hause mitwohnende Flüchtlinge sagten, dass die Suchmannschaft diese erst mitgebracht hätten um sie dort auszulegen, denn Onkel Heinrich hat keine Waffen besessen. -
Nun hatte Onkel Heinrich schon lange einen Arbeitsmann, namens „Hinnerk“ beschäftigt, der im 1. Weltkrieg eine Kopfverletzung erlitten hatte, seitdem galt er als ‘nicht ganz zurechnungsfähig’. Er wurde unter Androhung von Strafe gezwungen, der Suchmannschaft die Stelle zu zeigen, wo sein Chef die Waffen vergraben hat. - Nach dem Kriege hatten Flüchtlingskinder mit Waffen gespielt, die sie auf den Feldern fanden (die vor dem Feind fliehende Wehrmacht hatte sich dort ihrer Waffen entledigt), dabei verletzten sie sich z. T. sehr schwer. - Onkel Heinrich trommelte als damaliger Bürgermeister sofort seine Männer zusammen und ließ die Felder nach Waffen absuchen, die dann in seiner Kieskuhle vergraben wurden (ganz Schattin wusste von diesen Vergrabungen) -. So eingeschüchtert ging Hinnerk mit der Suchmannschaft zu dieser Kieskuhle, wo diese Waffen nun zu Tage gefördert wurden. Onkel Heinrich wurde beschuldigt: es wären alles seine Waffen. Daraufhin wurde er verhaftet und abgeführt und kam ohne eine ordentliche Gerichtsverhandlung bzw. ohne ein Gerichtsurteil in ein Zwangsstraflager.
Später konnte Onkel Heinrich einmal an seinen Schwager schreiben, der Brief kam allerdings erst Monate später an. Er bat um ein Foto von Irmi und Elfriede, seine Nichten. Auch war es gestattet, dass sie eine Seite dazu schreiben konnten. - Ob dieser Brief wohl bei ihm angekommen war? -
Anfang 1950 kam ein mysteriöser Brief bei Vati an, hierin wurde Vati gebeten diesen unbekannten fremden Herrn baldmöglichst zu besuchen. Mutti hatte kein gutes Gefühl dabei und riet Vati von diesem Besuch ab, es könnte eine Falle sein. So schrieb Vati zurück, der Briefschreiber möchte doch nach Schattin herkommen. Aber dieser mysteriöse Herr bat nochmals eindringlich um einen Besuch. - Also fuhr Vati dorthin. Als er dann aber an eine längere alte Alle kam, die zu einem alten Gut führte, verloren sich Vatis Bedenken ein wenig. Es war ein Gutsbesitzer, der mit Onkel Heinrich gemeinsam im Zwangslager gewesen war. Er sollte Grüße von ihm bestellen und erzählte, dass Onkel Heinrich mit anderen bei Schneegestöber auf offenem Lastwagen verladen wurde. Seitdem habe er ihn nicht mehr gesehen. Ihre Adressen hatten sie beim gemeinsamen Hofgang heimlich mündlich ausgetauscht. Wer zuerst nach Hause kam, der sollte sich bei der Familie melden. -
Pfingstsonnabend 1950 kam Tante Emma, die Schwester von Onkel Heinrich, mit 2 Herren bei Vati an und überbrachten ihm die Todesnachricht von Onkel Heinrich (gestorben am 24. Mai 1950 im Zwangslager in Untermaßfeld in Thüringen). Die Leiche, das wurde gestattet, könnte nach Schattin geholt werden. - Vati und Tante Emma beratschlagten und beschlossen, dass Tante Emma nach Untermaßfeld fahren solle um ihren toten Bruder heimzuholen. Vati bat Tante Emma aber, unbedingt in den Sarg zu schauen, damit auch alles seine Richtigkeit hatte -. In Untermaßfeld angekommen, suchte Tante Emma nach einer Transportmöglichkeit. Da aber gerade zu dieser Zeit in Berlin die große FDJ-Veranstaltung (FDJ = Freie Deutsche Jugend) war, hatte sie große Schwierigkeiten hiermit. Schließlich fand sie einen Fahrer, der aber nur einen LKW mit Holzgasantrieb hatte. Nach der Zusage, dass er sich in Schattin den ganzen Wagen voll mit Holz beladen könne, klappte die Heimfahrt. Der Sarg wurde direkt nach Herrnburg in die Kirche gebracht. Tante Emma erzählte, dass Onkel Heinrich fürchterlich zugerichtet (als Folge von Folterungen) aussähe. - Er wurde auf dem Friedhof in Herrnburg beigesetzt. Der Pastor sagte im Wesentlichen nur einen langen Spruch, der aber alles besagte. Es war eine sehr große Beerdigung - mit sehr vielen unbekannten Leuten (alles Spitzel der DDR).
(Elfriede Abels, geb. Holst erinnert sich)
Story:
– Im Mai 1952 wurde die Sperrzone (5-km-Zone), die 500-m-Zone und der Todesstreifen angelegt. Über den Hauptweg nach Utecht wurde vor der Abzweigung nach Lenschow (500-m-Zone) ein Schlagbaum mit einem Schilderhäuschen errichtet. -
Es war bald danach, als Elfriede abends mit dem Pferd vor dem Milchwagen zum Melken zum Spitzberg fahren sollte. Dort hatte Vati am oberen Ende ein Stück Weide abgesät. Unsere Tante Emma war noch nicht wieder zu Hause und sollte mit ihrem Fahrrad nachkommen. Sie kam am Spitzberg aber nicht an. – Elfriede war darüber sehr sauer! – und wie!! Kunn`s di jo denken! Die Volkspolizisten hatten Tante Emma nicht durchgelassen! Sie hatte ihren Ausweis, der zum Betreten dieses Gebietes berechtigte, nicht bei sich. Die Ausweise lagen alle bei Onkel Hans im Tornister. Er arbeitete woanders und hatte diese am Morgen, unabsichtlich, alle mitgenommen, Elfriede war plietsch und hatte ihren vorher schon aus diesem Tornister herausgenommen.
Am nächsten Morgen fuhren Elfriede und Tante Emma wieder gemeinsam zum Melken. Nun hatten beide ihre Ausweise bei sich. In der Ecke der Weide stand „Ella“, die Kuh. Sie hatte in der Nacht gekalbt. Nach dem Melken luden beide das neugeborene Kalb zu sich auf den Milchwagen und fuhren heim. „Ella“ vermisste ihr Kälbchen sehr! Sie kümmerte sich nicht um Einzäunungen, den geschlossenen Schlagbaum und das geschlossene, ca. 1 m hohe Hofeinfahrtstor! Zu hause machte sie durch lautes Brüllen und Muhen auf sich aufmerksam! In der Küche saßen gerade alle beim Kaffeetrinken. Sofort sprang Tante Emma auf un rööp: „Wat, is Ella dor?“ [Was, ist Ella da?], Rut ut de Döör, schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr schnurrstracks zu den „Vopos“ (Volkspolizisten) am Schlagbaum. Dort sagte sie zu ihnen: „Wie könnt Ji de Koh hier eenfach dörchlooten, harr se denn een Utwies bi sick!? Dat ward Konsekwentsen hebben!!“ [wie konntet Ihr die Kuh hier einfach durchlassen, hatte sie denn einen Ausweis bei sich? Das wird Konsequenzen haben.] – Ich glaube, die Vopos haben kein Wort von ihr verstanden. –
Mariechen Oldenburg
(geb. 25. November 1902 - gest. 1969 ?)
Abschrift einer Zwangsausweisung
Der Rat des Kreises Schönberg (Meckl.) Dezernat: Zentralbüro Abt. ....... Akt.-Zch. Sch./O. Schönberg (Meckl.), den 16. Oktober 1947 An Frl. Mariechen Oldenburg Schattin Betr.: Bewirtschaftung Ihrer Bauernstelle. Im Nachgang zu der bereits erfolgten Einsetzung eines Treuhänders für die, Ihrem Bruder gehörende, bzw. von Ihnen bewirtschaftete Bauernstelle, werden Sie hiermit aufgefordert, binnen 24 Stunden nach Erhalt dieser Anordnung das Gehöft zu räumen und Schattin zu verlassen. Das Umsiedleramt ist angewiesen, Ihnen in einer anderen Gemeinde des Kreises eine Unterkunft zu vermitteln. Begründung: Die Bewirtschaftung Ihrer Bauernstelle ist eine Sabotage an der Volksernährung. Es ist gerichtskundig, daß Sie in böswilliger Art die ordnungsmäßige Bestellung der Wirtschaft vernachlässigt haben. Es besteht weiter die Gefahr, daß durch Ihr Verbleiben auf dem Hof weitere Verschiebungen von lebendem und totem Inventar, sowie Feldfrüchte durchgeführt werden. Die Kreispolizei ist beauftragt, diese Anordnung gegebenenfalls zwangsweise durchzuführen. Bis auf Weiteres wird der Hof im Auftrage des Rates des Kreises durch einen Treuhänder im Benehmen mit der VdgB. bewirtschaftet. (Unterschrift)
Garagen und Werkstatt (Schmiede und Tischlerei) der LPG (1990)
Die Nädlershorster Wakenitzbrücke im Zustand von 1954 Im Hintergrund = der Hof von Ernst Dehn, in Lenschow