November 2001
Gebildet hat sie sich während des Diluviums, der letzten Eiszeit, die vor etwa 1 Mio. Jahren begann und vor etwa 10.000 Jahren endete. Das Schmelzwasser floss durch die Stecknitzrinne zur Elbe ab. Im weiteren Verlauf des Abschmelzens bildete sich dann das tiefergelegene Ostseebecken – vor etwa 9000 Jahren – und die Stromrichtung änderte sich nach Norden. Da ein direkter Abfluss in die Trave wegen des hohen Landrückens im Norden des Stadthügels nicht möglich war, suchte sich der Fluss östlich am Hügel vorbei einen Abfluss unterhalb des Domes. Geologen gehen davon aus, dass die Wakenitz zu dieser Zeit ein schnellfließender Bach oder Kleinfluss war, da das Land im Süden höher gelegen war und sich bis vor etwa 6000 Jahren langsam auf das heutige Niveau absenkte.
Die Strömung wurde geringer, Sinkstoffe lagerten sich über Jahrtausende ab. Sie können durch geologische Untersuchungen bis zu einer Stärke von 10 m nachgewiesen werden. Breite Uferstreifen mit Mooren und Bruchwäldern bildeten sich vor den weiter zurückliegenden höheren bewaldeten Uferrücken. In diesem Gebiet errichtet Heinrich der Löwe 1157/58 vor der Neugründung Lübecks die Löwenstadt, die wegen ihrer ungünstigen Lage bald aufgegeben wird, und von der bis heute keine Spuren gefunden wurden. Vermutlich lag sie in der Nähe des sogenannten Drägersteins zwischen Falkenhusen und Absalonshorst.
1143 wird Lübeck auf dem Stadthügel gegründet, nach einem Großbrand vorübergehend aufgegeben und 1159 mit der Verleihung von Fernhandelsrechten durch Heinrich den Löwen, wie gesagt, neu gegründet. Damit beginnt eine Zeit laufender Veränderungen für unsere Wakenitz.
Zwischen 1181 und 1197 erfolgt der erste Stau am Mühlendamm, um Gefälle für eine Kornmühle zu gewinnen. Diese Anlage wurde durch Hochwasser zerstört, und ein zweiter Staudamm wird 1231 am heutigen Hüxterdamm errichtet. Da die Bevölkerung wuchs, erfolgte 1289 bis 1291 die dritte Aufstauung auf 4,30 m über den Travespiegel, um mehrere Kornmühlen, später eine Pulvermühle und schließlich 1532 eine Walkmühle betreiben zu können. Für den Landverlust im Lauenburgischen zahlt Lübeck 1291 für das Staurecht 200 Mark Lübsch an den Ratzeburger Herzog und den Bischof und erwirbt die Wakenitz – im Besitz bis 1937 – sowie den Nordteil des Ratzeburger Sees – im Besitz bis 1891 –. 1294 erwirbt ein Lübecker Bürger Rothenhusen, das von ihm auf die Stadt übergeht.
Es folgen 4 Jahrhunderte mit wenig Veränderung bis es 1681 / 1682 zu einer kritischen Situation kommt. Angeblich um die Stadt Ratzeburg vor Wassernot zu schützen – in Wirklichkeit wohl um Land für das wachsende Ratzeburg zu gewinnen – lässt Herzog Julius Franz in Höhe Nobiskrug (?) einen Graben zwischen dem See und dem Stecknitzkanal graben. Der Wasserspiegel sinkt, und mitströmende Erde gefährdet den Stecknitzkanal. Am 19. 2. 1682 werfen 300 Lübecker Bürger mit 300 Arbeitsleuten – geschützt von 200 Soldaten und 40 Reitern – den Graben wieder zu.
1870 wird der Wakenitzverlauf außerhalb des Stadtgebietes verändert durch den Bau der Eisenbahnbrücke, die den Fluss auf 1/10 seiner ursprünglichen Breite einengt. So entsteht der Kleine See. Im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Befestigungsanlagen Lübecks – die Wälle werden teilweise abgebaut – wird 1873 der Wasserspiegel auf 3,35 m Sommer- bis 3,55 m Winterpegel in Rothenhusen abgesenkt. Dadurch wird in Lübeck wertvolles Bauland gewonnen und eine Bebauung auch vor der Wakenitzmauer möglich.
Die größten Veränderungen jedoch werden 1895 durch die Inbetriebnahme des Kaiser-Wilhelm-Kanals – heute Nord-Ostsee-Kanal – ausgelöst. Der Lübecker Hafen verliert 2/3 seiner Ostseeverkehre in Richtung Binnenland, da der Stecknitzkanal mit seinem gewundenen Lauf über 93 km Länge mit 17 Schleusen – der Elbe-Lübeck-Kanal ist 67 km lang mit 7 Schleusen – nicht mehr konkurrenzfähig ist. Unter Leitung des schon genial zu nennenden Wasserbaudirektors Rehder entsteht der Elbe-Lübeck-Kanal unter erheblicher finanzieller Belastung aller Lübecker. Er wird bereits am 16. 6. 1900 eingeweiht. Tausende von Schutenladungen Erdreich aus dem Kanalbau werden am Kleinen See abgelagert und reduzieren diesen um etwa 1/3 seiner Fläche.
Der Verlauf der Wakenitz wurde danach nicht mehr verändert. Als aber 1925 bis 1928 das Kraftwerk bei Farchau entsteht, erhöht sich das Wasseraufkommen durch den Zufluss aus dem Schaalsee, der bisher über die Schaale entwässerte, auf etwa 3 Kubikmeter / Sekunde. Auch wegen der zunehmenden Verlandung werden Baggerarbeiten nötig, um den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Ratzeburg / Lauenburg nachkommen zu können. Bereits um 1640 werden erste Arbeiten nachgewiesen, die aber die ökologischen Verhältnisse nur unwesentlich beeinflussen. Anfang der dreißiger Jahre vertieft ein kleiner Eimerkettenbagger von O & K die Fahrrinne auch für die Schifffahrt. 1936 werden ein Saugbagger und 1949 ein größerer Eimerkettenbagger eingesetzt. Die Fahrrinne wird durchgehend bis über 250 m in den Ratzeburger See hinein auf 2,50 m vertieft. Von diesen massiven Eingriffen haben sich Fauna und Flora bis heute nicht erholt.
Heute beträgt das Gesamtgefälle vom Ratzeburger See bis zur Trave 4,60 m, davon entfallen nur 0,80 m auf den eigentlichen Flusslauf, 1,40 m auf den schnellfließenden Dükerkanal, sodass Krähenteich / Mühlenteich 2,40 m über dem Travespiegel liegen. Die Durchflussmenge beträgt ca. 3 Kubikmeter / sec. (davon kommt 1 cbm aus dem Schaalseekraftwerk), nach der Schneeschmelze erhöht sich der Durchfluss auf bis zu 15 cbm/sec., während der ursprüngliche Düker nur 9 cbm fasst. Deshalb wurden um die zwanziger Jahre schräge Rohrleitungen unter der Falkenstraße verlegt und in den Sechzigern zusätzliche oberirdische Rohre beim Dükerkanal zur Trave.
Die letzte Veränderung, die aber den Fluss nicht wesentlich berührt, haben viele von uns erlebt: den Bau der Wakenitzbrücke 1969.
Ein kurzer Blick noch auf Fischerei, Schifffahrt und Sport:
1188 verleiht Friedrich Barbarossa der Stadt Lübeck das Privileg der Fischerei auf Trave, Stecknitz, Stepenitz, Radegast, Maurine und Wakenitz. Noch heute ist dieses Privileg rechtskräftig! Ab 1200 durften die Fischer leichte Buden bauen, von denen wir die Plätze 1. Fischerbuden gegenüber von Spieringshorst und 3. Fischer-buden, jetzt Wakenitzhof, kennen. Der 2. Fischerbuden lag bei der Eisenbahnbrücke. Diese Schutzhütten mussten bis Martini, 11. November, geräumt sein. 1399 wurde die erste „Rolle“ des Fischeramtes abgefasst. Es gab immer wieder Streitigkeiten mit den lauenburger Fischern. 1596 „beschlagnahmt“ der Lübecker Fischer Spierinck bei Sarau drei Boote und 5 Netze. Danach wurden im Abstand von 3-4 Jahren sogenannte Hoheitsfahrten mit 2 Booten von Lübeck aus durchgeführt. 1 Boot war mit Lübecker „Herren“, das zweite mit Trommlern und Pfeifern besetzt, „um die Lauenburger scheuer zu machen“. Fand man Boote und Netze, wurden diese zerstört.
Die Fischer, die im Stadtbereich im Gebiet An der Mauer, Untere Hüxstraße, Wakenitzmauer wohnten, durften etwa ab 1700 außerhalb der Stadt feste Häuser, Horste genannt, bauen. Wir kennen noch einige davon: z.B. Spieringhorst oder Habershorst. Dagegen wurden Brunshorst, Stoffershorst und Bothenhorst am östlichen Ufer nach dem Mauerbau 1962 durch DDR-Grenztruppen zerstört. Im Winterhalbjahr und Frühling finden wir noch Spuren. Heute wird Fischfang nur noch von Ratzeburg aus betrieben. Allerdings fischt seit einigen Jahren vom ehemaligen Fischerhaus am Ende des Fahlenkampwegs aus ein Schlutuper Fischer.
Seit Jahrhunderten wurden mit „Bötern“ u.a. Gemüse, Getreide, Ziegel, Brennholz, zeitweise auch Briefpost auf der Wakenitz transportiert. Schon 1181 ließ Heinrich der Löwe Kriegsmaterial zur Belagerung von Ratzeburg über die Wakenitz verschiffen. Eine Fahrt von Ratzeburg nach Lübeck dauerte zwischen 1 ½ und 2 Tagen und war oft mit einer Übernachtung in Rothenhusen verbunden, das 1294 zu Lübeck gekommen war. In Rothenhusen herrschte Stapelzwang. Das heißt: alle über den See kommenden Güter mussten ausgeladen, vermessen und verzollt werden. 1583 wurde 200 m vor Rothenhusen im See ein Feldsteinfundament mit einem Block-Pfahlhaus errichtet, das später mit 3 Kanonen bestückt wurde. Das Stapelrecht wurde bis 1730 von Lübeck zäh verteidigt. Rothenhusen wurde nach der Übernahme mit Wehrtürmen zur Grenzbefestigung ausgebaut, später sogar mit Artillerie bestückt, die erst nach 1806 von französischen Truppen unter Napoleon abtransportiert wurde, zusammen mit den o.g. Kanonen.
Ein Blick auf die Schiffsbewegungen:
So wurden 1878 238 Schiffe nach Lübeck gezählt. 1869 fährt der 300 Personen fassende Raddampfer „Graf Bismarck“ mit konstruktions bedingt geringem Tiefgang in 2 ½ Stunden von Lübeck nach Ratzeburg. Ab 190t6 laufen 2 Bogaske – Schiffe und kurz vor dem 1. Weltkrieg waren es dann 2 Ratzeburger und 6 Lübecker Schiffe. Heute sind es, wir alle kennen sie, regelmäßig 4 Linienschiffe auf der Wakenitz, zu denen für Sonderfahrten 2 weitere kommen können, und 2 auf dem See.
Der Sport entwickelt sich rasant im ausklingenden 19. Jahrhundert. An der Wakenitz ist der erste Verein 1885 der Lübecker Segler Verein. 1898 folgt Hansa. Ebenfalls 1885 gründet sich die Lübecker Rudergesellschaft und 1907 der Lübecker Ruder Club. Der VKL wird am 25. 10. 1921 gegründet, eine erste Bootslagerung ist bei Rieckermann in der Wallstraße, am 27. 4. 1924 kann der VKL sein eigenes Bootshaus an der Wakenitz einweihen. 1930 entsteht der Segler Verein Wakenitz, es folgen weitere Vereine und Gruppierungen.
Über 8 Jahrhunderte versorgte die Wakenitz Lübeck mit Wasser, im Notfall kann sie es auch heute noch, da sie als Reservoir vorgehalten wird. Doch dazu bedurfte es der Wasserkünste.
Bereits um 1214 gibt es die ersten Ansätze einer künstlichen Wasserbelieferung mit einer Verdolung, das ist ein mit Holz ausgesteifter Kanal zur Versorgung des Johannisklosters. Die Lübecker Bürger dagegen mussten das kostbare Nass noch Eimer für Eimer aus Quellen an den Seiten des Stadthügels herantragen. Es waren die Brauer – von denen im 14. Jahrhundert jeder 3000 – 5000 Liter wöchentlich ansetzen durfte – die den Bau der ersten Wasserkunst am Hüxterdamm förderten. Voraussetzung dazu war die 2. Aufstauung 1291. 1294 wird im lübschen Rechtskodex beschrieben: „van denen watere, dat mit raden in de stat gehelet ist“.
Ein unterschlächtig wasserradbetriebenes Schöpfwerk beförderte das Wasser in einen Hochbehälter, das von dort durch unterirdisch verlegte Holzrohre direkt in die Brauhäuser floss. 1302 wird die 2. Brauwasserkunst vor dem Burgtor angelegt, allerdings ohne Schöpfwerk, nur durch natürliches Gefälle, um weitere Brauhäuser zu versorgen. Um die höher gelegenen Stadtteile zu erreichen, wurde 1523 vor dem Hüxtertor eine Kaufleute-Wasserkunst errichtet mit höherem dreigeschossigem Wasserturm und Druckleitungen. Diese Wasserkunst hatte ein, ebenfalls durch unterschlächtig angetriebenes Wasserrad, betriebenes Pumpwerk. Jetzt konnten erstmals auch öffentliche Brunnen versorgt werden. Die Wasserentnahme war schon immer geregelt. Ein Beispiel ist die Kunstordnung des Rates von 1580. 1847 erhielt der inzwischen gemauerte 6-stöckige Turm, inzwischen mit Kupferbehältern, seine größte Ausgestaltung.
1870 schließlich entsteht, wie eine Ritterburg, die uns bekannte Wasserkunst an der äußeren Wakenitz, die 1890 das uns vertraute Aussehen erhält. Seit 1972 ist Lübeck von der Wasserversorgung durch die Wakenitz unabhängig. Einige werden sich an den Chlorgeschmack und die braune Verfärbung nach der Schneeschmelze erinnern, auch daran, dass die Feinschmecker sich das Teewasser am Wochenende im Kajak vom Priwall mitbrachten.
Zum Thema Naturschutz sei verwiesen auf die Ausarbeitung von Herrn Wegener von 1993. 1999 wurde die Wakenitz südlich einer Linie Hohe Warte / Goldberg unter Naturschutz gestellt, ebenso das Ostufer des Ratzeburger Sees. Der nördliche stadtnahe Teil des Flusses liegt im Gebiet eines Teillandschaftsplanes. Die weitere Entwicklung sollte, hier ansetzend, zu einem späteren Zeitpunkt fortgeschrieben werden.
Zum 80. Geburtstag des VKL zusammengestellt von Karl Ernst Schumacher
(Mit Genehmigung des Autors)
Chronik Schattin
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